11. August
Liebes Tagebuch,
ich habe Urlaub. Urlaub- wohooo. Urlaub in Berlin - shit, wohin mit der Zeit? Ighitt ighitt, plötzlich will man wieder an das Arbeiten denken. Alle Vögel ausgeflogen, die Möglichkeiten unendlich, aber dieses Alleinsein wiegt manchmal schwerer als man denkt.
Film
Also entscheidet man sich, ins Freiluftkino zu gehen, man schaut Didi nach einem sehr langen Spaziergang durch den Tiergarten und man spricht mit Menschen, mit denen man lange nicht gesprochen hat - weil ja Urlaub. Didi ist fantastisch.
Die Erinnerung an das Internet, an die ersten Videos, an die ersten Ideen, warum es nicht selbst mal ausprobieren? Sich verlieren im World Wide Web, YouTube Video nach YouTube Video nach YouTube Video, dann die eine Nachricht noch über Facebook, obwohl man viel zu jung für Facebook war. Was eine schöne Umarmung vom Filmemacher!
Auch alles andere, manchmal ist doch die Vergangenheit sehr nah, darin einzutauchen nicht wirklich die beste Idee, aber in Erinnerungen zu schwelgen doch trotzdem eine Natürlichkeit für sich.
Musik
Tom Hanks ist fantastisch, danke Conon.
12 August
Welch ein schwermütiges Wochenende. 30 Grad und nicht zu wissen, was man machen soll.
Oh, Berlin.
Arbeiten kommt nicht infrage, denn man hat doch Urlaub.
Die Melancholie holt einen ein, Fomo hin oder her, aber Berlin kann einsam sein.
Man durchwandert den Zirkus am Mauerpark, all die Musiker, man endet an der Spree, hört Radiohead und dann Lou Reed und will zurück nach New York, die Stadt, in der man immer wusste, was zu tun war. Es gibt noch ein alkoholfreies Pironi mit einem Freund beim Sonnenuntergang, das Mütterchen Schwermut legt sich wieder schlafen, die Nervosität, die Neugier und die Vorfreude nehmen ihren Platz ein.
Titel: Orangina und der Duft von Sonnencreme.
Eine Kurzurlaubsgeschichte von Emilia Bernsdorf als Sally Rooney:
Die gewohnte Nervosität, die sich im Körper breitmacht, bevor es zum Flughafen geht, ist langsam Gewohnheitssache. Macht es nicht einfacher, für niemanden der mitreist, aber eigentlich ist es wirklich kein Drama. Keine versteckten Bomben, keinen Versuch, Drogen zu schmuggeln. Wir befinden uns auf dem Weg nach Bordeaux, Bordeaux, die Stadt des Weines (oder definitiv eine Stadt des Weines) dort angekommen, riecht es nach Meer, riecht es nach Sonne, riecht es nach Urlaub. Wir sollen den Zug nach Begereac nehmen, also setzten wir uns in den sehr vollen Bus. Auf dem Weg habe ich den neuen Irwing angefangen, eine landlebende Liebesgeschichte zwischen Konsument und Autor, “der letzte Sessellift” und es zog mich seit Seite eins in seinen Bann. So habe ich mir das vorgestellt, endlich einen neuen Wälzer, Sonne, Pool - guter Start. Dazu höre ich AJR, weil nichts schreit mehr Frankreichurlaub als eine Band aus New York, richtig? Am Bahnhof gibt es Baguettes für 10,50 Euro. Achja, Urlaub. Auch fantastisch, in eine Region zu fahren, in der es wenig, wirklich wenig vegetarische Optionen gibt. Das war es auch mit dem deutschen Rumgemecker, versprochen.
Das Haus hat eine 20-Meter lange Einfahrt und man fährt einen kleinen Hügel hinunter. Ein offener Küchen- und Wohnbereich, riesige Glasschiebetüren zur Terrasse, drei Schlafzimmer, zwei Bäder. Wir werden mit Sekt empfangen, wir hören die nebenan seidenen Schafe, wir trinken die zweite Flasche, als wäre darin kein Alkohol enthalten. Nach dem Öffnen der dritten verlagern wir das Gelage in den Pool. Über uns die Sterne des französischen Nachthimmels, der eine Stunde Verschiebung zu dem Deutschen hat. Die damals von einem Freund erstellte dolce vita Playlist ist der Soundtrack des Tages Nummero Uno, der mit einem breiten Lächeln quittiert wird, bevor der Sandmann seine Arbeit erledigt.
Ich bin einer der Hauptfiguren in einem noch nicht geschriebenen Sally Rooney Roman. Hoffentlich ohne die komplizierten Konflikte, die sich bei ihr sowieso nur um Sex drehen.
Aufgabe des Tages? Ferdinand an seine neue Umgebung gewöhnen. Das dauert insgesamt 5 Minuten. Danach schwimmt ein glücklicher Plastikflamingo im Pool, den man fantastisch von den verschiedene Yoga-Posen beobachten kann. Die große Mission war dann einkaufen in einem super riesigen Supermarkt, das 600 Stunden und alle noch verblieben Nerven gekostet hat. Einkaufen für fünf Leute, während man an allem, wofür Frankreich bekannt ist (Essen und Wein) vorbeigeht und sich abhält, nicht alles in den Wagen zu werfen. Nein, wir kaufen keinen Hummer, heute nicht.
Freunde werden später empfangen, es gibt Paella, es gibt Vorbereitung und aufgaben Verteilung (ihr trinkt, wir kochen) während sowohl der Sweeney Todd Soundtrack (alte Familientradition) Lou Reed Mix (anscheinend gibt es eine Verbindung zwischen New York und Bergerac) die am Vorabend gehörte Dolce Vita Playlist und den selbsterstellten Sommer-chill Mix.
Die Kerzen beleuchten die Weingläser, die leeren Muschelschalen, Erwachsene werden selig und dann gibt es auch noch ein Feuerwerk, da hinten, irgendwo auf einem anderen Hügel. Ein zweiter Abend findet sein Ende.
Der Morgen beginnt mit dem Soul-mix, einer Runde Yoga und anschließend schnell in den Pool springen, um dann herausgeputzt zum Schloss Monbazillac zu fahren, durch die Weinberge, die kleinen Villages mit den beigen Hauswänden, jedes mit einem Pool versehen, den Tabac ständen und kleinen Bulongerien. Ein Weinschloss bekannt der für die Süßweinregion, in der wir uns befinden, auf einem Hügel gelegen mit fantastischer Aussicht auf das Tal, voll mit Wein und kleinen Häusern.
Erste Runde: trockener Weißwein. Gott sei Dank. Zweite war die Entscheidung zwischen rot und rose, vorgetragen von Jessie (na, endlich bringt uns mal jemand bei, wie man ordentlich Wein trinkt), den Süßwein am Ende hab ich übersprungen. Man erreicht ja schließlich irgendwann ein Alter, bei dem man weiß, was einem schmeckt.
Mir vier Flaschen des präferierten Rose-Weines eröffnen wir die kleine Poolparty. Erobique erklingt (super für Poolpartys) jeder darf mal mit Ferdinand schwimmen, und während die Sonne langsam verschwindet, werden in der Küche die Vorrichtungen für ein Barbecue getroffen, ein wilder Musikmix, es wird getanzt (Walzer und Tcha-tcha-tcha und improvisierte Sachen) bis das Steak well done auf den Tellern landet, man sich die Bäuche vollschlägt und einen weiteren seligen Abend verbringt. Achja, erwachsen sein macht Spaß.
Auch wenn der Kater am Morgen selbst durch Yoga und den kalten Pool nicht sofort verschwinden mag, aber was solls, man hat ja John Irving, der diesmal (was Neues) Moby Dick referiert und natürlich auch (wie immer) große Erwartungen (Dickens schlechtestes Buch) also liest man, bis die Sonne den Körper und den neuen Bikini getrocknet hat, um sich wieder ins Wasser gleiten zu lassen, den ertrinkenden Seeleoparden spielend, der mühsam wieder auf die Liege robbt und damit den Kreislauf schließt.
Eis essen, ja das klingt vernünftig. So schlendert man das erste Mal durch Bergerac, ist wieder einmal für einen Einkauf verantwortlich (ich hasse einkaufen) und ja, was soll man denn sagen, öffnet vielleicht doch wieder eine Flasche Wein. Diesmal aber gediegen. Es gibt Pasta und Salat, man spricht über Erwachsenenthemen, über Beziehungen und den Sinn des Lebens und “Oh, schau mal, welches Sternenbild ist das? Oh, eine Sternschnuppe! Nein, warte, was ist dein Gedanke zur Welt und zur Erde und zum Universum.”
Ein dritter Abend findet seine Seligkeit und sein Ende im Zimmer, welches man sich mit Mücken teilt. Mücken, vielleicht doch noch eine kleine Beschwerde über das Paradies, in welchem man wandeln darf.
Am Morgen werden die Freunde nach dem Yoga und dem Frühstück verabschiedet und man selber ist auf dem Weg in eine Stalagmitenhöhle, die erst Anfang der 2000er entdeckt wurde und schnell zur Touristenattraktion umgebaut wird (es gibt Bier, Eis und Crepes - natürlich gibt es Crepes) der Weg dorthin ist gesäumt von kleinen Dörfern, Weinbergen, einem großen Fluss, der sich neben der Straße erstreckt, auf dem Abenteurer ihre Kanufahrten absolvieren, sehr malerisch. Es gibt ein letztes großes Festessen, eine kleine Wehmutsträne versteckt sich im Schatten, die die Kerzen auf das Gesicht werfen. Eine Umarmung und ein letztes "gute Nacht".
Der Tag bricht an, wir yogarieren über die Wehmut hinweg, das Powerputzen wird von verschiedenen Musicalsongs begleitet und schon steht man mit gepackten Koffern in Begerac vor den Hoteltüren, bezieht dieses kleine, perfekt eingerichtete blaue Zimmer und wandelt durch die Straßen Bergeracs. Ein Festival ähnliches Event findet am Fluss statt, es gibt Austern und Weißwein, es gibt Gallets und Käse und ein Kennenlernen der lokalen jüngeren Menschen in einer der zwei Bars in diesem mittelalterlichen Weinstädtchen.
Ein bitterer Nachgeschmack des Moscow Mules zieht sich durch den frühen Nachmittag. Es gibt zwar einen Park in der Nähe, in der Marina uns ihren Yoga-flow nachmachen lässt, aber wer hätte sich vorstellen können, dass nach einer gewissen Menge Alkohol nicht alles Friede Freude Nutellacrepe ist. Okay, pause! Wir streunen durch die Stadt, die man tatsächlich nach einem Tag kennt wie seine eigene Westentasche, man wird weggeschickt, wenn man nach essen fragt, denn Frankreich hat strickte Lunch regeln (und die gelten auch für das Abendessen) kein Lunch nach 14 Uhr, Abendessen zwischen 18 und 20.30. WIE KÖNNEN ES DIE TOURISTEN WAGEN, DAZWISCHEN HUNGER ZU HABEN!?
Okay, dann Gallens - Pizza bei einem Eisrestaurantding. Gar nicht mal so schlecht. Im Park ließ man sich die Sonne auf den Bauch scheinen, vermisst den Pool und vertieft sich in das Ski-fahren und das Ringen und wie immer die etwas verqueren Sexgeschichten des John Irving, um dann 18 Uhr die große Booti-tour des Urlaubes anzutreten. Ich. Liebe. Bootis. Die Versöhnung zum etwas zerknitterten Tages. Ein Schnecken Dinner, und the Graduate (Endlich!) am Abend.
Filmabende im Urlaub sind erlaubt an Regentagen und an denen, an denen man ein bisschen ausgebrannt ist.
Was für ein guter Film mit einer schrecklichen Geschichte mit fantastischer Musik mit einer schrecklichen Geschichte mit fantastischen Schauspielern.
Und auch der letzte Tag in Begerac bricht an, bringt uns nach Sarlat. Wir sind begeistert von Sarlat, welches total überlaufen ist und AUCH KEIN ESSEN ZWISCHEN 14 UND 18.30 VERKAUFT. JA DANN VERHUNGERT HALT ODER ESST NUR EISCREME!!
Was für eine fantastische Zugfahrt. Eine große, große Empfehlung, diese kleinen, sehr sauberen, sehr bequemen Züge zu benutzen, die Weinberge und kleinen Dörfer und Kajakfahrer zu beobachten und Simon und Garfunkel zu hören. Zum Abend gibt es Tuna-steack, ein letztes Glas Wein und ein wehmütiges Winken zu den Sternen.
Ein letzter Yoga-Morgen im Park, eine nette Verabschiedung der kleinen französischen Pension, die mit so viel Liebe eingerichtet wurde, ein brühend heißer Kaffee am Gare de Begerac und eine letzte Zugfahrt nach Bordeaux, die Sonne durch die großen Fenster, den Croissant in der Hand, die paar neuen Vokabeln im Kopf, Tim Michin in den Ohren.
Ist das nicht Gottes Segen? Was auch immer, das Universum meint es gut, die meiste Zeit!
Also erreicht man Bordeaux, es sind 35 Grad und der Airbnb Host trägt einem das Gepäck in das im 2ten Stock gelegene Airbnb Zimmer. Man spaziert durch die Hitze mit Ingwerlimonade in der Hand und kühlt sich im Museum der modernen Kunst ab. Hat man gesehen, muss man aber nicht.
Den Abend lässt man dann mit einem klassischen Manhatten on the Rocks auf der Le Grand Hotel Dachterrasse ausklingen, geht natürlich Austern essen und sitzt dann mit der letzten Flasche Wein in einer lokalen Bar zusammen mit Franzosen, bei denen es egal scheint, ob es Donnerstag, Montag oder Sonntag ist.
Man beendet die Reise mit einem 34 Euro Frühstück am Gate von Easyjet, sieht wehmütig in die Vergangenheit, hört you cant always get what you want und bedankt sich für eine fantastische Zeit.
Bis nächste Woche
Bussi Baba