Ein wahrhaftiger Frühlingstag treibt mich auf das Tempelhofer Feld, nachdem man sich mit dem typischen "Wir kommen zwischen 7 und 13 Uhr"-Handwerkerzeit herumgeärgert hat. Die kamen um 13:40 Uhr und waren wirklich sehr schlecht gelaunt. Da traf schlecht gelaunt auf super genervt, denn niemand möchte aus der Dusche gerissen werden oder sich in einem Arbeitstelefonat befinden. Man kann einfach NICHTS machen, außer seine Wohnung aufräumen, während man auf sie wartet.
Aber ich habe ein neues Sofa – noch nicht zusammengebaut – im Wohnzimmer stehen und werde die schlechte Laune in der S-Bahn lassen. So der Plan.
Das Feld flimmert, es sind 18 Grad, und auch die riesigen Boomboxen beschallen das komplette Feld mit meinem Lieblingstechnosong. Oder Alben? Manchmal kann ich das nicht gut unterscheiden. So dankbar. Nach virtuellen Gesprächen mit der Familie wurde die Idee eines Aperol Spritz mit großer Begeisterung und Zustimmung quittiert, und so liest man die Träume der anderen Leute von Judith, lernt weiterhin vieles über die Musikindustrie zwischen 2011 und 2014, nimmt noch einmal an einem Echo teil und bekommt dann Gesellschaft. Bierchen zum Sonnenuntergang, ein fünfminütiges Rauschen durch eine Ausstellung (mehr wegen des Bedürfnisses, eine Toilette aufsuchen zu müssen, als Interesse an der Kunst) und ein Spaziergang nach Hause.
Man trifft zufällig Freunde an der Bar an der Ecke, trinkt Wein und feiert den Frühling.
Mit der neuen Couch wird sich am Samstag herumgeärgert – das waren definitiv keine deutschen Ingenieure am Werk. Keine, die diese Bauteile entworfen haben. Sie steht aber jetzt, gleich neben der gelben, die ich nicht mehr sehen kann. Die wie ein Schandfleck im Zimmer steht, geblendet von der Schönheit, der Neuheit der neuen.
Ich begebe mich auf den Weg in den Prenzlauer Berg – dort wartet Bernd Böhlich, Regisseur des Altweiberklassikers Du bist nicht allein. Vergib mir, Mutter.
Bernd Böhlich war der erste Regisseur, mit dem ich jemals gearbeitet habe. Damals, im zarten Alter von 14 Jahren, drehten wir den Sat.1-Film Der Feind in meinem Leben (musste ich mich dafür kurz selbst googeln?). Ein Regisseur, der sich damals am Set am Alexanderplatz über den Balkon lehnte, mich anguckte und fragte: „Und, willst du das machen, wenn du groß bist?“ Und ich nur nickte, und er in die Einöde der Tristesse am Platz blickend zurücknickte und meinte, daran würde kein Zweifel bestehen, wenn ich dran bliebe.
Da bin ich also, in einem klassisch kargen Castingraum (tatsächlich mit roter Leder-Couch), ein wenig durchgefroren, ein wenig aufgeregt, mit viel Elan und einem sehr guten Bauchgefühl. Rock ’n’ Roll.
Abends gibt es Curry. Ich bin nicht nur sehr gut im Ramenkochen – auch Curry gehört definitiv zu meinen Stärken.
Sonntags läuten dann die Konzertglocken. Kate Nash holt ihr Konzert nach (an einem Sonntag), und ich fühl mich viel zu sehr wie Freitagabend. Der Vor-Aperol-Spritz geht runter wie Öl, wir sehen funky aus – mein Tagesding wird mir am Eingang abgenommen, ich würde ihn aber wiederkriegen (kein Graffiti auf den Klos ist somit von mir), und Kate Nash spielt all die Songs, die ich am liebsten mag, rockt die Bühne, sieht funky aus und appelliert an das Retten der Musikbranche.
Kate Nash hat sich bei OnlyFans angemeldet, um mit ihrem Arsch Geld zu verdienen, damit sie touren kann. Clever. Funky. Nimm das, Spotify. Was ist eigentlich schöner, als wenn ein Künstler deinen Lieblingssong am Ende spielt?
Ja, und dann … wurde gefühlt jede noch offene Kneipe von Friedrichshain bis Neukölln besucht, um fünf Uhr morgens ins Bett gefallen – und erst dann der nächste Arbeitstag verflucht.
7. April
Ja, wer feiern kann, kann auch arbeiten. Der einzige Lichtblick sind Oli und Jan. Träge beschreibt die körperliche Verfassung am heutigen Tag wahrscheinlich am besten.
Katharina Thalbach war zu Besuch bei Gregor Gysi. Ich hab noch keine Meinung zu ihm, sie liebe ich aber über alles. Was für eine sensationell tolle, großartige, lebensfrohe, lebensbejahende Frau.
Ich höre wieder alte Fest und Flauschig-Folgen. So weit ist es schon wieder.
Film
Ich beende die zweite Staffel Marcella und bin zwiegespalten. Es ist eine Krimiserie, aber eben eine sehr brutale Krimiserie mit wirklich dollen menschlichen Abgründen. Mord, Mord an Kindern, Pädophilie, psychische Probleme etc. … Meine Frage: Muss das sein?
What If ist ein FANTASTISCHER Katerfilm – leicht, süß, verspielt. Toronto und Dublin als Schauplatz. Jetzt will ich nach Toronto.
Ein Kampf ums Überleben habe ich an diesem Tag defintiv gewonnen.
8. April
Den Morgen starte ich wieder mit Jan und Oli – nur aus der Vergangenheit. Wir befinden uns im Jahre 2022, da war Jan noch ein Elon-Musk-Fan, und geschwurbelt wurde von Joyc Ill und Xavier Naidoo. Das waren noch Zeiten …
Ich versuche mir Oli Pocher bei Gregor Gysi anzuhören. Ich breche ab. Ich finde, dass Oli Pocher ein zutiefst unsympathischer Typ ist, der vor allem nach unten tritt. Was er Humor nennt, ist der Inbegriff von: „Halt einfach deinen Mund, sonst kotz ich dir in den Schoß.“
Film
The Office wurde 20 Jahre alt. Ich war 7 Jahre alt, als Michael Scott das erste Mal über den Bildschirm flimmerte. Zeit ist ulkig, manchmal. Also schauen wir The Office heute.
Musik
Und hören meine Deutschrap-Playlist.
Andere Inspirationen
Und besuchen den BZ-Kulturpreis am Marlene-Dietrich-Platz 1 – mit dem New-York-Jumpsuit, mit dem man entweder aussieht wie ein Ghostbuster oder als wäre man auf Safari.
Ist eine gute Veranstaltung, vor allem wenn der Groll gegen die Politik gesammelt gegen den Bürgermeister geht, der doch ein wenig angefangen hat zu schwimmen.
Mohammad Rasoulof (Regisseur), Jenny Erpenbeck (Autorin), Ersan Mondtag (Regisseur), Cornelia Schleime (Künstlerin), Fanta 4 (Musiker) und Daniel Brühl (Schauspieler) wurden ausgezeichnet. Ja, ich saß im gleichen Raum wie Daniel Brühl. Und Travis. Und habe erst danach angefangen, Sekt zu trinken und Roulette zu spielen.
Event: 8 von 10 Sternen,
Aftershowparty: 3 von 10 Sternen – aber naja, ist ja auch Dienstag.
P.S.: Roku Gin: –7 von 10 Sternen.
9. April – offizieller Tag des Einhorns
Jan und Oli stützen mich bis nach Charlottenburg, müde und beseelt betrete ich das Büro: „Ich saß gestern im gleichen Raum wie Daniel Brühl“, rufe ich aus, Begeisterung erwartend. Nichts. „Ähem, Daniel Brühl?!“ – „Daniel wer?“ Stille, Tastaturgehämmer. Dann halt nicht.
Der Tag erwies sich als ungewohnt stressig – ungewollt stressig. Jonglieren mit Welten.
Erfreuliche Nachrichten aus der Kunstwelt. Es wird weiterhin viel Fest und Flauschig gehört und Marcella weitergeguckt. Mhmmmhm, ich weiß nicht, ich weiß nicht … Es wird zu Ende gebracht, ja. Aber große Begeisterung ist da nicht mehr übrig.
Film
Dafür aber für Top Gun: Maverick. JAJAJAJAJAJAJA. Das ist ein Granatenfilm. Man kann über Tom Cruise denken, was man möchte, ob man Mission Impossible 150 braucht, sei jetzt nebensächlich – die Fortsetzung von Top Gun habe ich damals in New York im Kino gesehen und war begeistert. Erst danach sind mir Fun Facts zugetragen worden, die mich diesen Film nur noch mehr lieben ließen. Alle Schauspieler MUSSTEN beispielsweise eine Pilotenausbildung machen – Entschuldigung, liebes ZDF, aber wo ist da unsere öffentlich-rechtliche Antwort? Ich für meinen Teil könnte ja mit einem dienen.
Der Film ist von Anfang bis Ende alles, was man von einem Actionfilm erwartet: cool, lässig, männlich und jetlastig. Top Gun: Maverick – 12 von 10 Sternen. Und ich hätte gern die Maverick-Jacke, dankeschön.
Doch bevor man sich in die Kissen mümmelt und vor Begeisterung vergisst, seine Nudeln zu essen, flaniert man kurz auf dem Tempelhofer Feld, tief im Gespräch über die große Leidenschaft Musik. Kann man sich theoretisch totquatschen, meine Meinung.
Nur kalt war’s. Und windig. Das muss ja jetzt nicht mehr sein, oder?
10. April
Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht. Ich bin müde, und ich will zum Sport, und das Bett ist sowieso viel zu gemütlich, und ich muss noch 100.000 Filme gucken, und … ich will nicht. Und ich bin müde.
Wenigstens sind wir dem persönlichen Jan-und-Oli-Hype wieder entkommen – hat man ja dann doch schon mal gehört. Stattdessen widmet man sich dem Kate Nash Radio, entworfen von der Supermacht Spotify, und liest weiter in seinem Judith-Buch. Das ist eine gute morgendliche Beschäftigung. Dafür könnte man länger in der Ringbahn sitzen – eigentlich so lange, bis man wieder zu Hause ist und sich dann einfach wieder ins Bett legt.
Katastrophe, wenn man gekündigt hat und die Kollegen krank sind. Man muss deren Aufgaben übernehmen – urrrgh.
Schön sind dann Botengänge, in denen man den
Musik
Mary Poppins-Soundtrack hören kann. Ob London oder Charlottenburg – so groß ist der Unterschied da nicht. Da bekommt man glatt ein bisschen gute Laune.
Jemand muss sich um meine Haare kümmern. Besser gestern als heute.
Ansonsten zieht sich der Tag eher schleppend, mit krönenden schlechten Nachrichten.
Wie lernt man den besten Umgang mit Enttäuschungen?
Nicht indem man seine Familie anruft, um eigentlich nur stumme Zustimmung zu erhalten - halt zu finden, sich im sicherer Gewahrsam über dinge aufzuregen, Dinge infrage zu stellen, sauer zu sein, enttäuscht zu sein.
Erwartung: ein warmes Gefühl des Zusammenhalts, Bestärkung, wegnehmen des Selbstzweifels.
Realität: “ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.”
Na gut, dann macht man das mit sich selber aus. Sport hilft.
Musik hilft.
Musik
Regina Spektor Album - Far und Noah und the Whales - The First Days of Spring.
Film
Ich wollte so unbedingt Rocky gucken und dann hätte ich aber dafür bezahlen sollen und dann wollte Amazon mein Geld nicht und das war doch alles doof irgendwie. Dann halt nicht.
Buch
Dafür Judiths Zeit auf den Färöer Inseln, Songschreiben im Mittsommer.
Andere Inspiration
Nach all den Turbulenzen hoffe ich jetzt auf ein ruhiges, Kuchen essendes, über den Flohmarkt flanierendes, vielleicht zu Comedy gehendes Wochenende. Ein bisschen schaffen, ein bisschen kreativ sein, ein bisschen faulenzen.
DAS KANN DOCH NICHT ZU VIEL VERLANGT SEIN.
Bis nächste Woche,
Bussi Baba